Im September 2018 sahen wir uns Jordanien an. Wir hatten nur Mietwagen und Hotels gebucht, hatten tagsüber also frei und mussten nur abends das richtige Hotel finden.
Am Flughafen angekommen erschreckte uns der örtliche Autovermieter damit, dass wir das Auto gleich übernehmen sollten, wo wir doch noch gar nicht auf das Fahren durch das nächtliche Amman vorbereitet waren. Das war aber zum Glück ein Missverständnis, er brachte uns mit unserem Leihwagen ins Hotel und wir durften ihn dann dort übernehmen.
Nach dem Frühstück liessen wir uns mit dem Taxi zur Zitadelle fahren, einem der steilen Hügel auf denen die Stadt gebaut ist. Dort gibt es ein paar griechische Säulen, ein paar römische Bauten und noch ein paar Ruinen aus byzantinischer, umayyadischer und osmanischer Zeit zu besichtigen. Im Archäologischen Museum dort gibt es auch noch weitere Dinge aus der Steinzeit bis fast heute zu sehen.
Ausserdem ist die Aussicht dort recht gut: Amman ist riesig, eine Unmenge würfelförmiger Häuser, die über Hügel und Schluchten verteilt liegen. Als einzelnes Haus nicht schön, aber in der Menge und in unregelmässiger Anordnung recht hübsch.
Unterhalb der Zitadelle liegt der römische Teil der Stadt mit Theater und Odeon, daneben der moderne Markt, den wir als nächstes besuchten. Nach dem Rundgang durch den Gemüse- und Klamottenmarkt lernten wir, dass "Café" hier nicht "und Kuchen" heisst, sondern "und Shisha" und später lernten wir das Kebab-Essen ohne Besteck. Satt und müde wanderten wir dann über die Hügel zurück zum Hotel um uns nur noch abends in die Gegend um den Pariser Platz zu begeben, was hier wohl das Viertel mit der westlichsten Gastronomie ist.
Östlich von Amman stehen ein paar Gebäude über die Wüste verteilt. Ihre Funktion scheint unterschiedlich gewesen zu sein, man fasst die Anlagen unter dem Begriff "Wüstenschlösser" zusammen. Vier davon besichtigten wir auf einem Rundkurs. Die Wüste hier sieht nicht besonders wüstig aus, dazu ist die Gegend links und rechts der Hauptstrasse zu dicht besiedelt und zwischen den Dörfern stehen parallel zur Strasse die Stromleitungen, Sendemasten, Kasernen und Flüchtlingscamps. Das erste Schloss, Qasr al Hallabat, war leider geschlossen, schien aber nur ein kleiner gemauerter Hof mit ein paar Gewölben und einem Nebengebäude zu sein. Das zweite, Qasr al-Azraq, war eine Festung, in der auch ein paar lateinische Schriften davon zeugen, dass schon die Römer hier hausten, bevor die Mamelucken es weiter ausschmückten. Ausserdem haben auch schon Musil und Lawrence den Bau beschrieben.
Beim dritten Schloss, Qasr Amra, waren die Fresken bemerkenswert. Irgendwie ist es schwer vorstellbar, dass frühe muslimische Herrscher diese Bilder anfertigen liessen und dass Wandgemälde von Jagdszenen und tanzenden oder badenden halb nackten Frauen in dieser Gegend so lange überleben konnten. Das vierte, Qasr Kharana, war wieder eine richtige Burg, ein wehrhafter Würfel im Sand.
Dazwischen schauten wir noch bei Azraq ein kleines Sumpfgebiet an. Die hier lebenden Wasserbüffel liessen sich nicht blicken, dafür ein Eisvogel und andere Vögel, ein paar Fische und Wasserschlangen. Das faszinierende an der Gegend war aber eigentlich die Landschaft. Unter einer Oase stellen wir uns ja immer einen Teich im Sand mit einer Palme vor, kein Schilfdickicht mit braunen Tümpeln voller Getier.
Die Tour zu den Schlössern schien nicht allzu viele Touristen anzuziehen. Es gab ausser uns nur ein paar Familienausflüge weil Freitag war, aber wenige ausländische Besucher. Die einzelnen Bauten lohnen für sich alleine vielleicht auch keine weite Anreise, zusammen ergeben sie aber einen recht netten Ausflug durch die Landschaft.
Am nächsten Tag verliessen wir Amman und fuhren nach Jerash, wo die Ruinen der antiken Stadt Gerasa liegen. Da diese Stadt nach einem Erdbeben 749, das hier in der Gegend fast alle Städte schwer beschädigt hatte, nicht wieder besiedelt wurde, sind die Ruinen ganz gut erhalten. Was die Byzantiner überstanden hatte, die für ihre Kirchen Steine brauchten, blieb stehen und wurde später weder überbaut noch als Steinbruch genutzt. So gibt es hier das angeblich besterhaltene (und kleinste) römische Hippodrom zu besichtigen, zwei Theater, zwei grosse Tempel (Jupiter und Artemis), ein paar Tore, drei gut erhaltene Straßen sowie das zentrale ovale Forum.
Danach gings nach Ajloun, einer Burg, die auf einem Hügel steht und es geschafft hat, die Kreuzfahrer von dieser Gegend fernzuhalten. Die Landschaft hat sich auf der Fahrt von Amman geändert. Es wurde grüner, die Gegend hügeliger, es gab Sträucher und Olivenhaine. Wir hatten als nächstes Hotel ein Gästehaus des RSCN (Royal Society for the Conservation of Nature), das auf einem Hügel im Eichenwald lag So konnten wir am Nachmittag noch einen kleinen Spaziergang durch die Eichen und Olivenbäume machen. Die hiesigen Eichen sind allerdings deutlich kleiner als zuhause, eher Sträucher mit 5 Meter Höhe und nur an ihren Früchten als Eichen zu erkennen. Der Spaziergang war eine recht nette Abwechslung zu dem Sand und den Steinen der Gegend davor.
Morgens gings weiter zum nächsten Punkt der Reise, nach Umm Qais. Hier sitzt man auf einer Hochebene, die 300m über dem Jordantal liegt und schaut auf den See Genezareth runter und über den Jarmuk zu den Golanhöhen rüber. Die alten Griechen sassen da auch schon und bauten Gadara an dieser Stelle, von dem auch heute noch ein paar Tempel, Kirchen, natürlich ein Theater und das obligatorische Nymphäum zu besichtigen sind. Der Rundgang hier war eher gemütlich, was auch gut war, nach Amman und Gerasa waren wir schon recht viel in der Antike unterwegs.
Der Ort Umm Qais war touristisch eher unerschlossen, oder er war es mal und litt nun an den in den letzten Jahren nicht mehr so zahlreichen Durchreisenden, aber immerhin hatte er einen Dönerladen und das einzige Hotel hatte eine Dachterrasse mit wunderbarem Ausblick.
Vorbei am Checkpoint der jordanischen Armee fuhren wir runter zum Jarmuk, dem Grenzfluss zwischen Israel/Golan und Jordanien. Dann gings weiter vom engen Tal des Jarmuk zur weiten Ebene des Jordantals. Den Jordan sieht man dort allerdings nicht oft, da er sich ein paar Meter in den weichen Stein des Tales eingegraben hat und es eher schwierig war, von der Straße dorthin zu kommen. Wir probierten es natürlich und kurvten durch die weissen Hügel in Flussnähe, trauten uns aber nicht zu nahe an die Bunker ran, die hier aus allen Hügeln schauen. Wir beliessen es dabei, nicht im Jordan baden zu können, schauten uns auch die Landschaft auf der anderen Strassenseite an, wo Leute auf steinigen Äckern voller Plastiktütenresten ein bisschen Landwirtschaft betreiben. Sie sind auch erfolgreich damit, es gibt sogar Bananenplantagen, aber halt nur dort, wo die Beregnungsanlagen stehen. Dabei muss es gelegentlich sogar recht viel Wasser geben, die Spuren der Erosion in den Schluchten waren frisch und recht deutlich.
Wir unternahmen noch einen Versuch, zum Jordan zu kommen und folgten dem Hinweis zum "Taufplatz von Bethanien". Wir wurden allerdings aufgehalten, der Weg sei nur für Shuttlebusse offen, die Pilger befördern und der Parkplatz dafür sei weiter oben. So begnügten wir uns mit der Aussicht von dem Berg, von dem Elias in den Himmel aufgefahren ist und der Betrachtung der vielen Kirchen aller Konfessionen, die am Ufer als Zeichen der Einheit des Christentums stehen.
Am frühen Nachmittag erreichten wir unser Hotel am Toten Meer und sprangen gleich in die leicht überhitzten Fluten. Es stimmt: Man geht nicht unter. Wir wissen jetzt auch, warum dort alle auf dem Rücken schwimmen. Man kommt nämlich nicht vorwärts mit Brustschwimmen, weil man es nicht schafft, die Füsse ins Wasser einzutauchen. Die schauen ab den Knöcheln immer raus. Nach dieser Erfahrung bezogen wir Liegen am Pool und erfrischten uns im ungesalzenen und mit 30° deutlich kühlerem Wasser.
Nach dem Toten Meer wollten wir weiter im Süsswasser baden und schauten uns das Wadi Mujib an. Dort hätten wir allerdings nur mit Canyoning-Ausrüstung reingedurft und so viel wollten wir auch nicht baden. Wir fuhren also ein Stück zurück, wo wir eine hübsche trockene Schlucht entdeckt hatten. Wir kamen in der dann allerdings nicht weit, die erste Stufe wären wir vielleicht raufgekommen, sicher aber nicht mehr runter. Wir gaben auf und sahen uns die Schluchten von oben an, während wir die 1400 Höhenmeter zum Gebirge rauf fuhren. Bis auf wenige führten die Schluchten kein Wasser, in jeder Talsohle grünte es allerdings und jede kleine Vertiefung hatte ein Gebüsch.
Oben angekommen sahen wir uns Kerak an, gleich nachdem wir den Weg durch die Marktgassen des Ortes gefunden hatten. Diese Ruine einer Kreuzfahrerburg ist schon der Aussicht wegen sehenswert und man kann ziemlich viel Zeit damit verbringen, die Mauern, Gänge und Säle zu durchstreifen.
Danach fuhren wir nach Dana, einem Dorf am oberen Ende einer Schlucht, wo der RSCN ein Gästehaus mit toller Aussicht hingebaut hat. Unterwegs hat sich eine Kinderbande Mühe gegeben, unseren Eindruck von den Leuten hier nachhaltig zu ändern. Bisher hatten uns alle möglichen Leute einfach so freundlich willkommen geheissen, das macht man aber auch schnell wieder wett, wenn man auf vorbeifahrende Autos Steine schmeisst?
Am Morgen liefen wir ein paar hundert Höhenmeter das Tal runter und bestaunten die Wadis, die Vögel und die Ziegen, die hier zahlreich an den Büschen knabberten, bevor wir nach mühsamen Aufstieg Richtung Petra fuhren. Die Landschaft ist hier voller zerklüfteter Schluchten, wobei "zerklüftet" nicht das richtige Wort ist, alle Felsen wurden wieder rund geschliffen, nachdem sie zersprungen sind.
Ein paar Kilometer vor Petra machten wir noch einen Abstecher zum Siq el-Barid. Diese Schlucht wird auch "Little Petra" genannt, weil sie erst ganz schmal beginnt um dann weiter zu werden und Platz für ein kleines Dorf zu bieten. In die Wände sind Räume gehauen, teils einfache Zimmer, teils richtige Tempel mit Säulen und aufwändig gestalteten Fassaden. Nach ein paar hundert Metern verengt sich die Schlucht wieder auf 2m und führt nach draussen. Schön war dort, dass wir fast alleine waren, nur ein paar Andenken-Händler hatten ihre Stände aufgebaut, waren aber nicht sehr eifrig.
Richtung Wadi Musa, der modernen Stadt neben Petra führt die Strasse weiter durch diese Landschaft voller Sandsteinhügel, teils mit Schluchten, teils rund. Manche der Hügel hatten Haustüren, die vermuten lassen, dass auch heute noch die Felsen bewohnt sind. Am späten Nachmittag kamen wir dann in Wadi Musa an, verliessen aber das Hotel nur kurz, um die Gastronomie zu erkunden.
Wir standen morgens am Eingang nach Petra, zusammen mit massig anderen Touristen und reihten uns in die Schlange zum Weg durch die Schlucht, den Siq, ein. Wir waren froh, vorher im Siq el-Barid gewesen zu sein, wo alles um den Faktor 10 kleiner war: Die Schlucht 2m breit statt 20 und ihre Wände 20m hoch statt 200. Dafür hatte man dort das Gefühl, selbst zu entdecken, während wir hier nur mitgeschwemmt wurden. Trotzdem ist die Schlucht beeindruckend, teils ist der Himmel nicht zu sehen, meistens ist er nur ein dünnes blaues Band.
Nach der Schlucht kommt man zur Hauptattraktion von Petra, ein Gebäude, das "Schatzhaus" genannt wir und das unvermittelt auf einem kleinen Platz steht, zu dem sich der Siq öffnet. Hier drängten sich die Leute um ein Bild von Gesicht und Bauwerk, Reitkamele und -esel wurden angeboten und Jugendliche wollten Touristen zu den Aussichtspunkten von oben führen.
Wir nahmen weder Reittier noch Führer und folgten der Schlucht weiter. Die wird dann zu einem Tal, an dessen Rändern sich eine Fassade an die nächste reiht. Diese Fassaden gehören zu eher kleinen Kammern, viele nicht gross genug um drin zu wohnen, aber für Beerdigungen recht gut geeignet, falls man einer eher extravaganten Kultur angehört. Weiter unten gehen die nabatäischen Gräber dann in das übliche Bild einer ausgebuddelten griechischen oder römischen Stadt über: Theater, paar Tempel, Nymphäum, byzantinische Kirche und eine Hauptstrasse mit Säulenstümpfen. Über diesen gemauerten Gebäuden (das Theater nicht, das wurde gemeisselt) thronen weiter mehrstöckige Fassaden der alten Gräber und neuerer römischer Gräber, die in örtlicher Tradition angelegt wurden.
Wir gingen dann nicht den gleichen Weg zurück, sondern schlugen einen Weg ein, der uns in einem Bogen über dem Tal zurückführte. Ab hier verliefen sich dann auch die Besucher, auf den Seitenwegen trafen wir vielleicht alle Viertelstunde ein kleines Grüppchen. Erst zu einer Kreuzritterburg, dann zu weiteren Gräbern, einem Tempel, einem römischen Grab in nabatäischer Tradition, vorbei an Obelisken hoch zu einem "Opferplatz" über dem Haupttal mit Blick auf die griechische Stadt. Unterwegs gab es kaum eine Stelle ohne Loch im Fels und mit Blick über eine tolle Landschaft aus erodiertem und geschliffenem bunten Sandstein. Bei einigen Felsformationen wussten wir echt nicht, ob sie natürlich oder menschengemacht sind oder beides.
Vom Opferplatz wollten wir dann eigentlich einen der Aussichtspunkte über dem Schatzhaus erreichen, verliefen uns auch nur kurz im Labyrinth der Schluchten, gaben dann aber auf. Der vermutete Weg führte über ein waagerechtes Kriechband, vielleicht dann drüben weiter, vielleicht aber auch nicht und wir wussten nicht, ob wir überhaupt vom Ende des Weges zum Schatzhaus kommen würden oder 20m daneben aber 200m zu weit oben umkehren müssen. Wir kehrten also um, gingen über eine Seitenschlucht mit toller Aussicht zum Theater runter und danach zum Schatzhaus. Inzwischen war es 17 Uhr geworden, die Schlucht leerte sich, die Andenkenhändler waren müde und packten zusammen und es war richtig stimmungsvoll, bei einer Cola vor dem Schatzhaus zu sitzen. Trotz des weiten Weges verzichteten wir auf eine Kutsche durch den Siq und gingen zu Fuss zum Eingang. Dabei hätten wir sogar in dieser Richtung nichts dagegen gehabt, gezogen zu werden. Runterwärts taten uns die Pferde leid, weil sie auf dem abschüssigen glatten Pflaster kaum genügend Halt fanden, 2-4 fette Passagiere abzubremsen.
Abends lernten wir, dass hier Bier fast immer alkoholfrei ist. Das fanden wir in einem muslimischen Land auch nicht schlimm und uns war klar, dass hier fast nie Alkohol angeboten wird. Was wir aber nicht wussten, dass es hier Bier gibt, das mit Erdbeeraroma versetzt ist, was irgendwie eigenartig schmeckte. Und dass die Kronkorken hier nur aussehen wie Kronkorken, aber abgeschraubt werden müssen, was zu staunenden Besuchern und belustigten Kellnern führt.
Am nächsten Tag stand eine Wanderung nach Ad Deir auf dem Plan, dem grössten Bauwerk in Petra. Das "Kloster", das eigentlich vermutlich ein Mausoleum war, später aber tatsächlich von Mönchen genutzt wurde steht ein bisschen Abseits der Stadt. Vom Tal muss man 2km weiter durch eine Schlucht über einen Weg mit vielen Stufen aufsteigen. Man kann sich aber auch auf einen Esel setzen und hochtragen lassen, falls einem das Tier nicht leid tut. Fussgänger kommen ins Schwitzen, werden aber gut von kleinen Ständen mit Getränken versorgt. Neben dem Weg gibts unterwegs noch ein Felsenhaus mit Löwenreliefs an der Türe zu sehen.
Oben angekommen biegt man ums Eck und steht vor einer riesigen Fassade, die einen Platz fast auf der Kammhöhe beherrscht. Das Ding ist ungefähr so hoch wie das Schatzhaus, aber doppelt so breit und weiter aus dem Fels herausgearbeitet. Oben hat es einen geteilten Giebel, der zeigt wie praktisch es ist, wenn man Elemente des normalen Hausbaus zwar übernehmen kann, aber sich nicht um die Statik kümmern muss.
Wir gingen dann noch ein bisschen weiter zu zwei Aussichtspunkten, die den Blick zu den Wüsten westlich von Petra und zurück auf Kloster und Stadt bieten und dann auf einen Kaffee. Wie schon geschrieben, die Versorgung hier ist gut. Da der Weg nach Ad Deir gut ausgebaut ist, fanden den Rückweg auch sofort wieder und nach ein paar Pausen im Tal gingen wir zurück nach Wadi Musa, wobei wir schon fast Lust auf eine Kutsche hatten. Der Weg durch den Siq ist lang und der gestrige Tag steckte noch in den Waden.
Am nächsten Tag nahmen wir einen Seiteneingang nach Petra, der merkwürdigerweise in unserem Reiseführer erwähnt wurde, aber in keiner Karte eingezeichnet war, auch nicht in den Flyern und auf den Infotafeln vor Ort. Kurz vor dem Eingang zum Siq zweigt rechts das Wadi al-Mudhlim ab, wohin durch einen Tunnel das Wasser abgeleitet wird, damit der Siq bei Regen nicht überschwemmt wird.
Wir gingen durch den Tunnel und folgten dem trockenen Tal abwärts. Das Tal wurde immer enger und verwandelte sich von einer Kiesbank zwischen senkrechten Wänden in eine Art Wasserrutsche mit 2m Breite und am Boden gerade Platz genug, zwei Füsse abzustellen. Es muss ziemlich beeindruckend sein, wenn dieses Tal durch diese Rinne entwässert wird. Allerdings würden wir uns das nicht aus der Nähe ansehen wollen und schon gar nicht bei Regen hier durchlaufen, das Treibgut vom letzten Regen hing ein paar Meter über dem Grund der Schlucht zwischen den Wänden verkeilt.
Das Wadi al-Mudhlim spuckt einen ein paar hundert Meter neben den "Königsgräbern" aus, die ein bisschen oberhalb der Stadt liegen und die wir an den letzten Tagen nur von weitem gesehen haben. Wir liefen also die Wand mit diesen Gräbern entlang und kehrten dann wieder um, um über den Gräbern nach oben zu wandern und einen Aussichtspunkt zu besuchen, von dem aus man das Schatzhaus von oben sehen kann.
Der Aufstieg war eine lange Treppe, etwas mühsam in der Hitze und oben steht ein Zelt mit Getränkeverkauf und einer offenen Seite, von dem aus man senkrecht auf den etwa 150m tiefer gelegenen Platz vor dem Schatzhaus runtersehen kann. Nach Aussicht und Getränk schlugen wir das Angebot eines kleinen Bergführers aus, uns über eine Abkürzung direkt nach unten zu führen und gingen über die Treppe zurück.
Nach diesem Ausblick und dem Erfolgserlebnis, den Weg durchs Wadi gefunden zu haben, fanden wir, dass wir genug von Petra gesehen haben und nach einem Grenadinensaft und einem Kaffee gings zurück ins Hotel.
Wir fuhren dann ins Wadi Rum, wo wir in einem Camp unterkommen sollten. Das Wadi Rum ist eine Wüste, aus der 500-800m hohe Klippen herausragen. Am Rande des Gebietes wurden "Beduinencamps" errichtet, wo Zelte vermietet und die Gäste bekocht werden. Es sind relativ viele Camps, allerdings recht geschickt in Seitentäler gebaut und hinter Felsen versteckt, so dass sie das Landschaftsbild nicht stören. Im Camp trafen wir auch Ibrahim, unseren Führer, der uns die nächsten beiden Tage durch das Wadi bringen wird (eigentlich durch die Ansammlung von Tälern, Rum ist nur das bekannteste dieser Wadis).
Für den ersten Tag hatten wir um eine Fahrt mit dem Geländewagen gebeten, weil wir uns bei der Alternative "Kamel" nicht sicher waren, ob wir ohne Reiterfahrung und mit Pferdeallergie zwei Tage durchhalten würden. Wir wurden also auf die Ladefläche eines Pickups gesetzt und fuhren los. Die Landschaft dort ist toll, jeder Fels sieht anders aus und zwischen den Felsen liegen teils enge Schluchten, teils kilometerbreite Sandstreifen. Die beeindruckenden Felsformationen, die wir in Petra aus der Nähe schön fanden, wirkten hier eher aus der Entfernung.
Wir sahen ein paar uralte Inschriften und Bilder, einen Torbogen, den der Wind geschliffen hatte, das Haus von Lawrence (genauer: Das Haus des Filmteams, das den Film gedreht hatte) und jede Menge tolle Ausblicke. Den Sonnenuntergang sahen wir nicht, weil es war wolkig und hat gelegentlich sogar ein bisschen geregnet.
In der Nacht wurde Robert vom kräftigen Regen geweckt, der durch das offene Zeltfenster auf sein Bett fiel und am nächsten Morgen war die Wüste nass. Jedenfalls in unserem Tal, ein Wadi weiter hatte man nur davon gehört. Wir wurden morgens abgeholt und zur Kamelweide gebracht. Ibrahim stellte uns unsere beiden Kamelstuten vor und sattelte die drei Kamele. Die gute Nachricht für Pferdeallergiker: Kamele sind für sie völlig ungefährlich. Die schlechte Nachricht für Reitunerfahrene: Ein Tag im Sattel macht den Hintern kaputt und sorgt für Muskelkater, was wir aber erst abends und am nächsten Tag merkten.
Wir trotteten in Richtung Wüste, erst zu einer Quelle, die von kleinen Grüppchen frei laufender Kamele aufgesucht wurde, die dann wieder zu ihren Futterstellen zurückkehren, dann weiter in ein Seitental. Zuerst wurden wir geführt, dann übernahm Robert das Steuer und Maxis Kamel hing an seinem Sattel. Ibrahim ritt alleine und hätte eingegriffen, falls das Steuer versagt hätte. Wir ritten im Schritt, gelegentlicher Trab war schlecht fürs Sitzfleisch, und knipsten aus dem Sattel fleissig Bilder mit schiefem Horizont. War der Ausflug mit dem Auto am Tag davor eher der schnelle Überblick, war der Ritt eher ein langsames Einwirkenlassen der Landschaft.
Mittags gabs eine lange Pause an einem geeigneten Brotzeitfelsen, wo der Wind grosse schattenspendende Überhänge aus dem Sandstein geschliffen hatte. Wir konnten sehen, wie man schnell ein Brot in der Asche eines Feuers aus dürren Büschen bäckt und Bohneneintopf kocht. Dazu gabs Tee und ein paar Liter Wasser.
Nach der Pause gings über ein anders Tal zurück und wir wurden wieder im Camp abgeliefert. An diesem Abend war der Himmel klar und wir konnten die Sterne über der Wüste ansehen, nachdem wir uns 10 Minuten von den Lichtern des Lagers entfernt hatten.
Nach dem Frühstück setzten wir uns wieder in unser bequemes Auto und fuhren Richtung Akaba. Am Bahnhof von Wadi Rum stand gerade ein historischer Zug mit Dampflok, alten Personenwagen und offenen Waggons mit Lafetten für Maschinengewehre, geschmückt mit einer türkischen Flagge. Der Bahnhof war geschlossen, aber wir sahen durchs Fenster ein kleines Museum mit alten Fotos und einem Filmplakat, die an die Arabische Revolution 1916 erinnerten, als die Einheimischen zusammen mit Lawrence von Arabien solche Züge der Hedschasbahn gesprengt hatten. Wir knipsten ein paar Eisenbahnbilder und fuhren dann erst nach Akaba und dann zu unserem Hotel etwas ausserhalb, wo wir uns in die warmen Fluten des Roten Meeres warfen.
Wir hatten auf Anraten einiger Freunde Taucherbrillen mitgenommen. Wir haben zwar davor nie geschnorchelt, liessen uns aber überzeugen, dass es völlig verrückt wäre, ohne Brille ins Rote Meer zu springen. So planschten wir am Hotelstrand, wo ein paar Felsbrocken mit ein paar Korallen drauf rumlagen und waren sofort fasziniert von der Fischwelt. Es gab so ziemlich alle Formen (flach, andersrum flach, kugel-, walzen-, stabförmig, völlig zerfleddert, stachlig, schlangenartig) und alle Farben in allen Kombinationen als Striche, Kreise und Tupfen.
Wir buchten nach dieser Erfahrung auch einen Ausflug zu einem der richtigen Korallenriffe in der Gegend. Zusammen mit vier Tauchern wurden wir die Küste entlang gefahren, dann verschwanden die vier in der Tiefe und der Kapitän erklärte uns, bis wohin wir schwimmen dürfen und dass wir in einer Stunde wieder da sein müssen, wenn er winkt und pfeift. Wir schwammen dann erstmal Richtung Küste, bis wir auf das Riff stiessen, das dort eine Stufe von vielleicht 5m Tiefe auf 1m macht und schwammen dann der Kante entlang und wieder zurück. Die Fische dort waren zahlreicher, es gab aber keine besonderen Exemplare, die wir nicht vorher schon gesehen hatten (gabs natürlich sicher schon, aber nicht für uns Fischunkundige), dafür war hier die Landschaft beeindruckender. Hier gabs nämlich auch die Korallen in allen Farben und Formen und das Riff ist voller Höhlen und Löcher, in denen sich Seeanemonen verstecken, die ebenfalls vielfältig und bunt sind. Als der Kapitän dann winkte, waren wir begeistert, aber auch ein wenig fertig. Für ungeübte Schwimmer ist eine Stunde ohne Stehen (ging nicht, weil Korallen sind schön, unantastbar und sicher ekelhaft spitzig) schon ziemlich anstrengend.
Nach drei erholsamen Tagen, die wir verbrachten ohne das Hotel und den Strand zu verlassen fuhren wir zum Flughafen, setzten uns in die Maschine nach Amman und landeten ein paar Stunden später in München.
November 2018